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Berufe 1920 und 2020 – Zwischen Tradition und Vergessen. Moderne, Innovation, Aufbrüche

Auch die Eröffnung der diesjährigen Sonderausstellung des Geschichtsvereins fällt der Corona-Pandemie zum Opfer, die Eröffnungsfeier ist abgesagt und es steht noch kein Termin fest, wann die Ausstellung überhaupt von den Besuchern besichtigt werden kann. Trotzdem wollen wir Ihnen hier einen kleinen Vorgeschmack geben und sie neugierig machen.

 

Ein Beitrag von Waltraud Pustal

Die Sonderausstellung des Geschichtsvereins Pfullingen im stadtgeschichtlichen Museum greift das Thema der Pfullinger Kulturwege auf und schaut beispielhaft auf ausgewählte Berufe. Es sind solche, die 1920 in Pfullingen für das gesellschaftliche Leben eine relevante Rolle gespielt haben, auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Einhundert Jahre später, heute, im Jahr 2020, betrachten wir, ob es diese Berufe noch gibt, ob sie verschwunden sind oder ersetzt wurden, wie sie sich verändert haben.

Der Feldschütz beaufsichtigte die Felder

Ungeachtet der politischen, sozialen, ökonomischen Turbulenzen nach dem Ende des 1. Weltkrieges und des Kampfes um Geschlechtergerechtigkeit in den frühen Zwanzigerjahren musste der Alltag weiterhin bewältigt werden. Die Landwirtschaft stellte die Versorgung mit Lebensmitteln sicher. Pfullingen war in dieser Hinsicht gut aufgestellt, denn viele Haushalte waren in der Lage, sich weitgehend selbst mit Grundnahrungsmitteln, Gemüse und Obst zu versorgen. Doch so unbeaufsichtigt wie heute, war die Feldflur damals nicht. Der Feldschütz oder „Feldsteußler“ wachte über die Sicherheit und Ordnung in diesem Bereich und hielt potenzielle Diebe davon ab, Gemüse und Obst zu entwenden oder rügte das unberechtigte Betreten oder Befahren der Feldflur. Gemäß einer Dienstanweisung aus dem Jahr 1904 musste der Feldschütz die seinem Schutz anvertrauten Gemarkungsteile täglich und nötigenfalls auch bei Nacht begehen. Besonders zur Zeit der Reife der Früchte hatte er sich in dem Felde aufzuhalten und zum Beispiel Obstdiebe bei der Ortspolizei anzuzeigen. So heißt es in einer entsprechenden Verordnung: Der Feldschütz hatte „den Frevlern die entwendeten Gegenstände wegzunehmen, die weggenommenen oder von den Frevlern zurückgelassenen so viel wie möglich in Sicherheit zu bringen. Der Feldschütze ist befugt, …. auch Tiere, Wagen, Karren, Schlitten, Kähne und dergleichen, sowie das im Weidefrevel betroffene Vieh zu pfänden.“

Ein anderer wichtiger Beruf im Dienst der Allgemeinheit war der Gemeindebaumwart. Er sollte die bäuerliche Bevölkerung auf dem Gebiet der Obstkultur belehren und unterstützen.

Die Handwerksberufe Wagner und Schmied waren ebenfalls damals nicht wegzudenken. Ob in der Landwirtschaft, im Handwerk, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Pfullingen erfolgreichen Industrie, beide Berufe bildeten tragende Säulen. Beispielhaft können die Wagnerei Hoffman und die Schmieden Votteler und Tröster hier genannt werden. Die Ausstellung geht vertiefend auf die Geschichte der Pfullinger Kupferschmiededynastie ein. Albert Votteler, der Kupferschmied, hatte 1912 die ehemalige Hammerschmiede in der Klemmenstraße gekauft und ausgebaut. Dort wurde bereits seit 1790 die Wasserkraft genutzt. Der Betrieb, der im Lauf der Jahrhunderte die Produktion immer wieder anpasste, wurde erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts still gelegt. Genauso noch gefragt in den 1920er Jahren war der Berufsstand der Huf- und Wagenschmiede, dessen Vertreter die Schmiede Tröster war. .

Für den Bedarf der Pfullinger Bevölkerung an Schuhwerk sorgte die Schuhmacherzunft. Diese wiederum benötigte Leder aus den Pfullinger Gerbereien. Leder- und Textilproduktion waren prädestiniert für eine Ansiedlung am Fluss. Die Echaz bot alles, was dafür benötigt wurde: Sie lieferte Wasser und Energie, diente der Ableitung von Abwässern. Die Pfullinger Lederindustrie hatte mit der Firma Klemm um 1900 Weltformat. Die Belastung der Umwelt, insbesondere des Wassers wurde kaum thematisiert, Umweltstandards kannte man nicht.

Und heute? Pfullinger Firmen beweisen, dass sowohl die Gerberei (Leder Reinhardt Pfullingen und wet green Olivenleder, Erwin-Seitz-Straße, Reutlingen) wie auch die Textilindustrie (Engel Naturtextilien) nicht nur umweltfreundlich und ökologisch, sondern nachhaltig und fair funktioniert. Früher unvorstellbar, heute beste Lederqualität, gegerbt aus Olivenblättern, einem Abfallprodukt der Olivenbauern, zu konkurrenzfähigen Preisen, produziert in Pfullingen. Nachhaltig und fair, in der Region produzierte Textilien aus Naturfasern, sind ebenfalls ein Thema der Ausstellung.

Diese genannten Berufe sind nur einige Beispiele wie sie in der Ausstellung des Geschichtsvereins vorgestellt werden. Die von Mitgliedern des Geschichtsvereins Pfullingen ehrenamtlich erstellte Sonderausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum Schlössle spürt dem Wandel der genannten Berufe hier in Pfullingen nach und fragt, wie der Anspruch der Nachhaltigkeit hier, als Mitglieder im Biosphärengebiet Schwäbische Alb, von den Berufsgruppen umgesetzt wird.

Wann die Ausstellung eröffnet wird und das Begleitprogramm dazu erscheint, das erfahren Sie auf jeden Fall im Pfullinger Journal.

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