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„Pfullinger Lebensbilder“- Sonderausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum Pfullingen

Ein Beitrag von Waltraud Pustal

Menschen, die für Pfullingen etwas Besonderes geleistet haben, die einen besonders interessanten Lebensweg gegangen sind, denen das persönliche Schicksal besonderes Glück oder manchmal auch extremes Leid brachte, an dem die Bürgerschaft Pfullingen jeweils Teil hatte. Menschen aus der „2. Reihe“, Menschen die nicht immer im Vordergrund standen. Das sind sie, für die sich die Sonderausstellung interessiert. Der Zeitbogen ist weit gespannt, und reicht vom 18. Jahrhundert bis heute. Frauen und Männer gleichermaßen werden in 18 kurzen „Blitzlichtern“ (Lebens“bildern“) vorgestellt.

Gretl Burckhardt hatte sich (zusammen mit ihrem Mann Hans), als Unternehmerin der Förderung von Kunst und Reitsport verschrieben. Dr. Luise Dautel war Pfullingens erste Ärztin. Die Ausstellung spürt ihrem Werdegang an den verschiedenen Universitäten nach und beleuchtet damit auch, welche Hindernisse Frauen noch in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts zu überwinden hatten, Medizin zu studieren.

Wilhelmine Flamm lebte eine Generation früher. In der Wendezeit vom 19. ins 20. Jahrhundert. Sie stand neben ihrem Mann an der Spitze der Flamm’schen Heilanstalt, einer sehr großen Nervenheilanstalt in Pfullingen. Man sprach damals vom „Dorf in der Stadt“.

Elisabeth Lochmann, geboren kurz nach Ende des 1. Weltkrieges war Anfang der 1979iger Jahre Gründerin des Pfullinger Frauenkreises. Ihr frühes Interesse für Umweltschutz einerseits und die Frauenemanzipation andererseits bewegte sie dazu, sich in diesem Themenfeld speziell mit und für Frauen zu engagieren.

Brigitte Neske war nur wenige Jahre jünger. Als Spross der Unternehmerfamilie der Fadenfabrik Knapp verlegte sie ihr Interesse in die Literatur. In dem kleinen aber hochkarätigen Neske-Verlag arbeitet sie als Verlegerin und betätigte sich selbst als feinfühlige Lyrikerin. Heute steht hier das Neske-Verlagsmuseum mit herausragendem Kulturangebot.

Ganz anders das Schicksal von Agathe Saulmann, der Unternehmerin jüdischer Herkunft, die mit ihrem Mann, dem Eninger Fabrikanten Ernst Saulmann nach dem Tode von Louis Laiblin den Erlenhof erwarben. Als Hobby-Pilotin mit eigenem Flugplatz in Pfullingen, nahm sie, genauso wie ihre Flugkünste, eine sehr extravagante Stellung ein. Das Ehepaar wurde nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten bald Opfer der anti-jüdischen Gesetzgebung. Nach Flucht und Gefangenschaft, kehrte sie nach dem 2. Weltkrieg zwar zurück, das ganze Leid führte sie letztlich im Juni 1951 in den Selbstmord.

Eine ganz andere Rolle spielte Schwester Luise. Sie war seit den frühen 1930iger Jahren „die“ Kindergärtnerin in Pfullingen. Das war sie über Jahrzehnte, jeder kannte sie und sie kannte alle.

Auch Luise Trumpp lag das Wohl der Kinder am Herzen. Sie war Mitte des 19. Jahrhunderts die Gründerin der Kinderkirche in Pfullingen. Nicht zuletzt Dr. Magda Ziegler: Eine beeindruckende berufliche Karriere, die in der Funktion der Schulrektorin des Isolde-Kurz-Gymnasium mündete.

Neben den neun Frauen blickt die Ausstellung auf neun Männer.

Carl Bames, Oberpräzeptor (Lateinschullehrer), berühmt als Verfasser der „Chronica von Reutlingen mit Pfullingen“. Er erkannte bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die Bedeutung von Stadtchroniken und dokumentierte alle wesentlichen Ereignisse. Heute von unschätzbarem Wert.

Otto Fried, Ratsschreiber in Pfullingen, geboren gegen Ende des 19. Jahrhunderts, dokumentierte ebenfalls, legte seinen Schwerpunkt aber ganz auf die Natur. Er betätigte sich aktiv als Vogelkundler und war der Verfasser von „Das Vogelvorkommen auf Markung Pfullingen“. Ebenfalls ein Dokument von sehr hoher Bedeutung.

Johann Bartholomäus Haage wirkte kurze Zeit als Pfarrer in Pfullingen bevor er zum Abt von Adelberg berufen wurde. Sein Leben im frühen 17. Jahrhundert führte ihn vom Findelkind aus tiefster Armut in hohe Kirchenämter.

Fritz Alexander Kauffmann, Abkömmling der bekannten Kauff-mann-Gurken-Dynastie aus Ebersbach, wurde Lehrer. Sein engagiertes Wirken als Schultheaterleiter und Autor ist bis heute unvergessen, seine Werke werden heute noch aufgeführt.

Hugo Herrmann, berühmter Komponist für Kammermusik, veranstaltete in den Pfullinger Hallen in den Jahren 1931 und 1932 die 1. und 2. Kammermusikfestspiele. Die Ausstellung will das großartige künstlerische Werk in Erinnerung rufen.

Fritz Mollenkopf, Schreinermeister und Heimatdichter aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, verbüßte in jungen Jahren eine langjährige Zuchthausstrafe für die Tötung der eigenen Großmutter. Im Gefängnis entwickelte er sein dichterisches Talent.

Der Lehrer Johannes Schänzlin stammt aus der alteingesessenen Pfullinger Familie der Schänzlins. Um die Jahrhundertwende 1900 war er ein sehr beliebter und bekannter Heimatdichter und wirkte neben seinem Beruf als Lehrer und der Berufung in höhere Schulämter als Autor. Er ist Verfasser des Liedes „Mein Echaztal“, das heute auf der Homepage der Stadt zu finden ist.

Dr. Viktor Schweizer, Verlagsbuchhändler aus Leipzig und Berlin, war 1920 Begründer des Baum-Verlags in Pfullingen. Ein Verlag, der in seiner esoterisch-lebensreformerischen Ausrichtung so gar nicht in die schwäbische Kleinstadt zu passen schien.

Ganz anders wiederum Dietrich Senner, der als Bauführer, Bauleiter Pfullinger Hallen und zahlreicher markanter Gebäude in Pfullingen eine äußerst erfolgreiche Lebensleistung vorweisen kann.

Die Ausstellung bietet Informationen, An- und Einsichten in Lebensläufe, Fotos und Dokumente, Geschichten und Zeitgeschichte.

Unterstützung mit Fotographien aus den Jahrhunderten erfolgt durch das Archiv von Foto-Burgemeister, Steffen Burgemeister,

 

Eröffnung am 5. Mai

Die Sonderausstellung ist jeweils sonn- und feiertags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Die Vernissage der Ausstellung erfolgt in feierlichem Ambiente im Rahmen der Eröffnung der Museumssaison am Freitag, den 5. Mai 2017 um 18.00 Uhr zusammen mit dem Trachten- und Mühlenmuseum in der Mühlenstube. Die Einführung spricht Prof. Waltraud Pustal, die Vorsitzende des Pfullinger Geschichtsvereins.

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