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Von Normalität keine Spur – Pfullinger Schulen im Gespräch

Mit Heidrun Schmid-Salzer, Rektorin Uhlandschule, und Jochen Wandel, Rektor WHR, im Gespräch

(SH) Nach acht Wochen coronabedingter Schulschließung beginnen die Schulen seit 4. Mai langsam und schrittweise wieder mit Präsenzunterricht. Von Normalität kann aber noch lange keine Rede sein. Der Unterricht findet wöchentlich wechselnd in kleinen Gruppen, für wenige Stunden in wenigen Fächern statt. Und das alles natürlich unter strengen Hygienevorschriften. Wir haben Heidrun Schmid-Salzer, Rektorin der Uhland-Burgweg-Grundschule Pfullingen und Jochen Wandel, Rektor der Wilhelm-Hauff-Realschule Pfullingen, befragt, wie sie mit der Situation umgehen.

 

Journal: Was waren/sind in der unterrichtsfreien Zeit die größten Herausforderungen für Sie und das Lehrerkollegium?

Wandel: Das Einstellen auf die neue Situation. Plötzlich muss Schule ganz anders funktionieren. Beziehung als tragende Säule der Klassengemeinschaft und des Miteinanders, Schulleben, Schulgemeinschaft – all dies bricht plötzlich fast ganz weg. Für uns war es wichtig, vor Torschluss noch Vorkehrungen zu treffen, um mit einer digitalen Lernplattform in den Wochen des Lock-downs Schüler*innen dennoch erreichen zu können. Lehrer*innen machten und machen sich auf den Weg, mit digitalen Formen des Lernens Erfahrungen zu sammeln und zu erweitern, Schüler*innen müssen selbstorganisiert vieles leisten, sind in vielen Fällen auf sich allein gestellt und auf die Unterstützung durch die Eltern angewiesen.

 

Schmid-Salzer: Eine große Herausforderung war die Erreichbarkeit aller Kinder. Teilweise gab es Lernpakete zum Abholen, in manchen Klassen wurden sie digital verschickt, ausgetragen, auf die Post gebracht. Manche Kinder konnten auch telefonisch schlecht erreicht werden. Nach mehreren Wochen Lernen zu Hause stellte sich auch die Frage eines neuen Inputs. Was geübt werden soll, muss erst einmal eingeführt werden. Selbstgedrehte Erklärvideos mussten nun diese Aufgabe übernehmen. Vielfach hat dies geklappt. Aber nachfragen, sich austauschen, war/ist nur bedingt möglich.

 

Journal: Herr Wandel, gibt es auch bei Ihnen Schüler*innen, zu denen Sie keinen Kontakt aufbauen konnten, die „auf der Strecke bleiben“?

Wandel: Ja. Wir versuchen, deren Zahl zu minimieren bzw. diese Schüler*innen dann frühzeitig in die Schule zu holen, dennoch wird auch bei uns deutlich, dass manche Schüler trotz allen Engagements durch unsere Lehrkräfte nicht erreicht werden.

 

Journal: Was halten Sie für problematischer für die Entwicklung der Kinder: die fehlenden sozialen Kontakte oder der versäumte Schulstoff?

Schmid-Salzer: Das lässt sich nicht gegeneinander ausspielen und ist wohl von Kind zu Kind, von Elternhaus zu Elternhaus verschieden. Grundsätzlich denke ich, dass Kinder in dieser besonderen Zeit vor allem eine emotionale Heimat brauchen, Eltern, die ihnen Sicherheit geben. Dann können sie Lernstoff, der ihnen jetzt fehlt auch wieder gut aufholen. Es ist ja auch so, dass viele Kinder neue, wertvolle Erfahrungen gemacht haben, die sie ohne die Coronakrise nicht gemacht hätten: Familienleben fand statt und viele Kinder waren häufig in der Natur.

 

Journal: Herr Wandel, seit 4. Mai haben die Abschlussklassen wieder Präsenzunterricht. Wie wichtig ist dies für die Schüler*innen und wie herausfordernd gestaltet sich die Einhaltung von Hygieneregeln?

Wandel: Die 10er haben sich gefreut, dass sie wieder direkt mit ihren Lehrer*innen arbeiten und ihre Mitschüler*innen wieder sehen. Gerade bei den „Großen“ kann einiges zu Hause gearbeitet und gelernt werden. Videokonferenzen, Lernplattformen usw. helfen hier durchaus – es zeigt sich aber auch, dass gemeinsames Lernen und Schule bei weitem nicht nur digital ablaufen kann.

Wir als große Schule haben im Team um unseren Hausmeister und unser Schulteam gewissenhaft und umsichtig alles so vorbereitet, dass wir die Hygienemaßnahmen gut einhalten können. Wir wurden hier von der Stadt mit Desinfektionsmitteln und Mundschutzmasken unterstützt, was die Umsetzung vor Ort deutlich erleichterte.

 

Journal: Die Grundschulen haben seit 4. Mai die Möglichkeit, gezielt einzelne Schüler zum Unterricht einzuberufen. Frau Schmid-Salzer, für wie sinnvoll halten Sie diese Regelung und wie wurde das in Ihrer Schule umgesetzt?

Schmid-Salzer: Ich denke, es war jetzt sehr wichtig insbesondere die Kinder in die Schule zu holen, die in den letzten Wochen zu Hause wenig/keine Unterstützung beim Lernen hatten. An unserer Schule wurden kleine Lerngruppen gebildet, die nun an einzelnen Tagen für zwei Schulstunden in die Schule kommen. Das ist gut so, aber auch eine logistische Herausforderung, da Räume und Personal auch für Präsenzunterricht und die Notbetreuung gebraucht werden. Mit halben Klassen lassen sich die Hygienebestimmungen in einem verantwortbaren Rahmen umsetzen. Zum wöchentlichen Wechsel hätte es noch gute Alternativen gegeben. Hier wäre mehr Spielraum bei der Organisation für die Schulen wünschenswert.

 

Journal: Wenn Sie einen Wunsch beim Kultusministerium frei hätten, was würden Sie sich für Ihre Schule wünschen?

Wandel: Ich wünsche mir, dass wir in dieser herausfordernden Lage einen möglichst großen Handlungsspielraum erhalten, um vor Ort Schule gut gestalten zu können und dass wir hierzu verlässliche und funktionierende digitale Werkzeuge erhalten.

 

Schmid-Salzer: Ich wünsche mir grundsätzlich (nicht auf die Coronazeit bezogen) mehr Beachtung, Wertschätzung der in den Grundschulen geleisteten Arbeit und Vertrauen in die Arbeit der Lehrkräfte.

Außerdem eine bessere personelle Ausstattung, u.a. für Vertretung, Förderangebote und für AGs.

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