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Bürgermeister Stefan Wörner über zu hohe Hürden und unnötige Verordnungen

Wir brauchen pragmatische Lösungen keine Regelflut

Erst kürzlich ist Pfullingens Bürgermeister Stefan Wörner von Landrat Dr. Ulrich Fiedler für seine 25-jährige Tätigkeit im öffentlichen Dienst mit einer Urkunde geehrt worden. Der Landrat lobte den Bürgermeister als einen der mit vollem Einsatz und viel Freude bei der Arbeit ist. Er habe die Verwaltung im Blut, aber sei kein Verwalter.

Stefan Wörner kennt die Verwaltung wie seine Westentasche. In den vergangenen 25 Jahren hat er so gut wie alle Bereiche der kommunalen Verwaltung kennengelernt von den Kindergärten, den Schulen und den Vereinen, bis hin zum Bauamt, der Kultur und den Finanzen. Jetzt ist er in seiner 5. Kommune angekommen. Seit zwei Jahren ist er Pfullingens Bürgermeister. Wir wollten wissen, wie es ihm dabei geht.

PJ: Herr Bürgermeister Wörner hat sich die Verwaltungsarbeit in den letzten 25 Jahre sehr verändert?

BM Wörner: Die Welt hat sich nach meiner Wahrnehmung sehr stark verändert. Die Themen sind vielschichtiger und komplexer geworden. Auch die Geschwindigkeit und die Anzahl der Themen hat sich erhöht. Wir befinden uns in einer Zeit mit multiplen Krisen und verschiedenen, durchaus einschneidenden Transformationsprozessen, wie Flüchtlingskrise, Energiekrise, Wohnungsnot, Klimawandel und Mobilitätswende.

Dennoch kann ich nach wie vor jedem empfehlen, beruflich in die Verwaltungsbranche zu gehen. Es gibt keinen anderen Bereich, der eine solche Bandbreite an Aufgaben bietet. Wir arbeiten mit und für die Menschen, was durchaus sehr erfüllend ist.

PJ: Immer wieder hört man von Bürgern und Bürgerinnen, von Handwerkern und Unternehmern, dass der Bürokratie-Dschungel immer undurchschaubarer wird, können Sie das aus Sicht der Verwaltung bestätigen?

BM Wörner: Ja, auf jeden Fall. Die Standards sind sehr hoch und die Bürokratie überbordend, dass es auf allen staatlichen Ebenen kaum mehr zu leisten ist. Wir auf kommunaler Ebene müssen die Vorschriften, die von EU, Bund und Land erlassen werden, umsetzen und bekommen den Unmut der Bürgerinnen und Bürger unmittelbar zu spüren. Überzogene Standards sind zu hinterfragen und zu reduzieren, weil sie auf Dauer nicht mehr zu bewältigen sind. Bürokratie muss abgebaut werden, damit die Transformationen und die Krisen bewältigt werden können. Wir müssen wieder zu pragmatischerem Vorgehen und Handeln kommen.

PJ: In einem Brandbrief an Bundeskanzler Scholz haben die drei Oberbürgermeister von Tübingen, Esslingen und Schwäbisch Gmünd, 26 Beispiele aufgeführt, bei denen Gesetze, Vorschriften und Verordnungen einfach unsinnig und unnötig sind. Kennen Sie solche Beispiele aus Pfullingen auch?

BM Wörner: Bestes Beispiel ist heute das Bauen. Wir sollen schnell und günstig Wohnungen schaffen, haben aber auf der anderen Seite extrem hohe Energiestandards und Vorgaben zu erfüllen. Oder auch der Brandschutz. Die Klosterkirche in Pfullingen bspw. wurde über Jahrhunderte ohne Einschränkungen genutzt, ohne dass irgendetwas passiert ist. Dummerweise‚ haben die Erbauer nicht an die Erfüllung der heutigen Brandschutzvorgaben gedacht. Die Folgen sind uns bekannt.

PJ: Da schwingt auch viel Frust mit. Was erwarten Sie also von der Landes-, der Bundesregierung?

BM Wörner: Wir schaffen es nicht, alle Lebensrisiken zu vermeiden und abzusichern. Von uns Kommunen wird erwartet, dass wir eine Vollkaskoabsicherung bieten, ohne Risiko, das können wir nicht leisten! Es fehlen Fachkräfte in allen Bereichen, gleichzeitig müssen wir mit einer Regelflut zurechtkommen, das muss nachlassen!

Wir brauchen schnelle und effektive Lösungen und das Vertrauen in die Kommunen, dass wir mit gesundem Menschenverstand das Richtige für die Bürger und Bürgerinnen tun. Denn die Kommunen sind sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst, weil, wie es Gemeindetagspräsident Steffen Jäger immer wieder betont, wir „der Ort der Wahrheit und der Wirklichkeit sind“.

Dazu gehört auch dass wir nicht allen Interessen gleichermaßen nachkommen können. Ein Beispiel ist der Flächenverbrauch. Wir können nicht den Flächenverbrauch auf Null fahren, gleichzeitig sollen wir aber Wohnungen, Windräder, Freiflächenphotovoltaikanlagen usw. bauen um die Transformationsziele zu erreichen. Das funktioniert nicht, hier müssen wir uns ehrlich machen.

Trotz allem habe ich mir meinen Grundoptimismus nach wie vor bewahrt. Ich bin sicher, wir werden gemeinsam für alles verträgliche Lösungen finden.

PJ: Herzlichen Dank für das Gespräch.

BM Wörner: Gerne!

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