Corona zwingt die Gemeinden zum Sparen
Ein Stimmungsbericht der Bürgermeister aus unserer Region
(BW) Seit Anfang März hält uns das Corona Virus in Atem, Kindergärten und Bildungseinrichtungen wurden genauso geschlossen wie die Geschäfte, Restaurants und kulturelle Einrichtungen, aus Angst vor einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus und zum Schutz der Bevölkerung. Die wirtschaftlichen Folgen sind allerdings verheerend, Stützungsprogramme in Milliardenhöhe wurden jetzt beschlossen, kleine Gewerbe und Selbstständige konnten Soforthilfe beantragen, Beiträge für Kindergärten, Vhs, Musikschulen u.v.m. hatten die Gemeinden erlassen, um die Menschen finanziell zu entlasten. Jetzt ist es Zeit eine erste Bilanz zu ziehen. Wir haben die Bürgermeister aus Pfullingen, Eningen, Lichtenstein und Engstingen nach ihrer Einschätzung gefragt. Wie sieht die finanzielle Situation in den Gemeinden aus, wie wurden Unternehmen und Privatpersonen unterstützt und vor allem wie soll es weitergehen? Denn ein Ende ist bislang noch nicht abzusehen.
Mario Storz, Bürgermeister von Engstingen
Corona wirkt sich auch auf unsere Gemeindefinanzen in Engstingen ziemlich massiv aus:
Nach den derzeit vorliegenden Hochrechnungen gehen wir insgesamt von einem Minus in Höhe von 550.000 – 600.000,- Euro aus, verursacht vor allem durch die Einnahmeausfälle aus dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, dem Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer und der Gewerbesteuer.
Anfragen von Gewerbetreibenden (beispielsweise nach den Liquiditätshilfen der Landesregierung) wurden in aller Regel direkt von mir bearbeitet und beantwortet, die beantragten Stundungen von Zahlungen konnten bewilligt werden.
Da es absehbar war, dass sich die Corona-Pandemie wesentlich auf unseren Gemeindehaushalt auswirken wird, haben wir zunächst nur die Projekte auf den Weg gebracht, die aus unserer Sicht fortgeführt und abgeschlossen werden müssen oder unabdingbar sind (beispielsweise Sanierung der Lüftungsanlage und der Warmwasseraufbereitung in der Freibühlhalle mit 357.000,- Euro / Kanalisation Meidelstetter Straße mit 70.000,- Euro / Abschluss Gemeindeentwicklungskonzept mit 58.000,- Euro / Erneuerung Straßenbeleuchtung mit 130.000,- Euro).
Für die Umsetzung der Sanierung des Spielplatzes auf der Siedlung Berg (rund 90.000,- Euro) und die Sanierung des Schuldrachens der Grundschule Kleinengstingen (rund 45.000,- Euro) haben wir uns auch unter den bekannten Vorzeichen bewusst entschieden, weil wir hier nicht am falschen Ende sparen wollten und die Sanierungen längst überfällig sind.
Andere Projekte auf unserer ursprünglichen Maßnahmenliste für dieses Jahr haben wir zunächst unter Vorbehalt im Hinblick auf die weitere finanzielle Entwicklung gestellt, beispielsweise Erneuerung des Hallenbodens der Freibühlhalle (75.000,- Euro), Erneuerung der Fenster des Gebäudes A der Freibühlschule, 75.000,- Euro, Erneuerung von Feldwegen, 34.000,- Euro, Außengestaltung Friedhof Kohlstetten, 40.000,- Euro um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wir werden die finanzielle Situation künftig wieder deutlich genauer betrachten und abwägen müssen, wie wir unsere begrenzten Ressourcen einsetzen und welche Priorisierungen wir bei anstehenden Projekten vornehmen müssen. Wir werden mit Sicherheit an der einen oder anderen Stelle den Gürtel deutlich enger schnallen müssen, vor allem im Vergleich zu der sehr guten Einnahmesituation in den vergangenen Jahren.
Alexander Schweizer, Bürgermeister von Eningen
In Eningen hatten wir bisher insgesamt genau 100 Corona-Infizierte zu verzeichnen. Wie hoch die Dunkelziffer liegt, weiß natürlich niemand. 87 der Infizierten gelten inzwischen alle wieder als genesen, doch leider waren auch 13 Todesfälle zu beklagen. Diese Todesfälle sollten uns dazu mahnen, die Corona-Pandemie und damit auch die Hygiene- und Abstandsvorschriften nach wie vor sehr ernst zu nehmen. Wie sich die wieder erwachte Reiselust, das warme Sommerwetter aber auch die nach wie vor grassierende Pandemie in einigen außereuropäischen Ländern auswirkt, kann derzeit niemand verlässlich vorhersagen.
Die finanziellen Auswirkungen des Shutdowns lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Das liegt daran, dass Gewerbe, Handel, Handwerk und die größeren Unternehmen nicht wissen, wie sich die Wirtschaft vom Corona-Schock erholen wird. Ganz zu schweigen davon, wie sich die Pandemie auf die Wirtschaft in Europa und weltweit auswirken wird. Zu rechnen ist daher mit ganz erheblichen Gewerbesteuereinbrüchen, auch bis weit in die Folgejahre hinein. Wobei das volle Ausmaß sicher erst in 2021/2022 durchschlägt, da ein erheblicher Anteil der heute eingehenden Gewerbesteuern noch auf positiven Geschäftsergebnissen der Jahre 2018 und 2019 beruht. Kurzarbeit und steigende Arbeitslosigkeit werden auch zu generell geringeren Steuereinnahmen der
Gemeinden führen. Gegensätzlich wirken sich höhere Ausgaben für die Bewältigung der Pandemie aus. Ich verweise hier beispielsweise auf ein höheres Freibaddefizit 2020, mit dem wir in Eningen leider rechnen müssen. Die coronabedingten Auflagen sind immens!
Die Gemeinde Eningen unter Achalm hilft Gewerbetreibenden durch Stundungen ihrer Zahlungen, falls deren Liquidität belastet ist. Hierzu sollte man sich vertrauensvoll an Herrn Thomas Kittelberger bei der Gemeindekasse wenden. Was den Zugang zu Hilfsprogrammen des Bundes und des Landes angeht, so empfehlen wir die Kontaktaufnahme mit der Handwerkskammer, der IHK, den Innungen, der DeHoGa bzw. dem Einzelhandelsverband. Denn die Zahl der Hilfsprogramme ist dermaßen vielfältig und kompliziert, dass es einer Syphysusarbeit gleichkäme, all diese Förderprogramme kennen und verstehen zu wollen. Natürlich hilft unser Wirtschaftsförderer, Herr Marco De Rossi, gerne weiter, falls die Gemeinde jemand helfend zur Seite springen kann.
Die Zukunft der Gemeinde steht definitiv nicht auf dem Spiel. Wir sind in der komfortablen Situation, in den zurückliegenden Jahren im Kernhaushalt praktisch eine Null-Verschuldung erreicht zu haben und zugleich auf Rücklagen in Millionenhöhe zurückgreifen zu können. Der Eninger Gemeinderat hat stets eine vorausschauende Finanzpolitik betrieben. Da ist es natürlich hilfreich, dass wir in diesem Jahr 2020 mit der Schillerhaus und dem Waldfreibad bereits zwei Millionenprojekte zum Abschluss gebracht haben. Auch das Feuerwehrgerätehaus ist bereits durchfinanziert und so können wir relativ gelassen in die Zukunft blicken. Im laufenden Etat, der neuerdings Ergebnishaushalt heißt, werden wir natürlich in 2020 ein hohes Defizit verkraften müssen. Das führt selbstverständlich zu einem gewissen Konsolidierungsbedarf und vermutlich auch zu einigen Einschnitten. Es ist aber nicht so, dass jetzt die Notwendigkeit zu großem Wehklagen da wäre. Wir sollten uns vielmehr auf unsere Stärken besinnen und optimistisch nach vorne schauen. Zum Beispiel führt die Coronakrise gerade zu einem beispiellosen Digitalisierungsschub in Deutschland. Es wäre nicht die erste Krise, aus der auch neue Chancen erwachsen. Gemeinsam miteinander werden wir gewiss auch diese Krise bewältigen!
Peter Nußbaum, Bürgermeister von Lichtenstein
Die Auswirkungen der Coronakrise belasten den Lichtensteiner Haushalt schmerzlich, da es zu erheblichen Einnahmeeinbrüchen gegenüber den im „coronafreien“ Hauhaltsplan ursprünglich eingeplanten Zuweisungen an Finanzausgleichsmitteln kommt. Es gilt aber in diesem Jahr bei der Fortführung und Umsetzung wichtiger Investitionsvorhaben dranzubleiben, zumal einige Maßnahmen bereits mitten in der Ausführung sind. Da noch unklar ist, welche finanziellen Hilfspakete für die Kommunen vom Land noch geschnürt werden, kann eine endgültige, belastbare Gesamteinschätzung zu den kurz- und mittelfristigen Folgen bzw. Finanzierungsfragen derzeit noch nicht abgegeben werden.
Die enorme Dynamik der Entwicklung der Coronakrise stellte für alle eine große Herausforderung dar. IHK und Handwerkskammer sowie die verschiedenen Branchenverbände haben frühzeitig und umfassend die finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten und arbeitsrechtliche Fragestellungen für Gewerbebetriebe und Dienstleister aufbereitet und spezielle, weiterführende Informationen zur Verfügung gestellt. Die Gemeinde hat auf ihrer Homepage eine fortlaufend aktualisierte, separate Corona-Informationsseite mit einem Überblick zu örtlichen Angeboten und Unterstützungsmöglichkeiten eingerichtet. Eine extra gebildete Koordinationsgruppe der Gemeindeverwaltung dient zudem als Ansprechpartner und Lotse bei örtlichen Anfragen. Vor allem auch bei Auslegungsfragen zu den Corona-Verordnungen und bei den zu beachtenden Ge- und Verboten hilft diese Gruppe gerne weiter.
Es ist erfreulich, dass mit den breiten Öffnungen wieder ein spürbares Stück Normalität zurückgekehrt ist. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Weg konsequent fortgesetzt werden kann.
Die Gemeinde ist bestrebt, bei den bereits begonnenen Maßnahmen und Investitionen weiter Kurs zu halten. Die mittelfristige Finanzplanung der Gemeinde wird in den kommenden Jahren aber zwangsläufig auf dem Prüfstand stehen und ggf. nach Prioritäten mit Umsicht und Augenmaß angepasst werden müssen. Das ganze Ausmaß der gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Folgen der Coronakrise wird sich allerdings erst noch offenbaren. Die Gemeinden sind die Orte der Wirklichkeit und dort werden die Folgen auch unmittelbar zu spüren sein. Die Coronakrise hat aber auch gezeigt, dass eine verantwortungsvoll handelnde Solidargemeinschaft auch bislang nicht gekannte Herausforderungen zu meistern vermag.
Martin Fink, stellv. Bürgermeister von Pfullingen
Da der Pfullinger Bürgermeister Michael Schrenk erkrankt ist, haben sein Stellvertreter Martin Fink gemeinsam mit Stadtpfleger Manuel Baier und Christina Krieg von der Wirtschaftsförderung die Fragen beantwortet:
Durch die wegbrechenden Steuereinnahmen und bei den sonstigen Gebühreneinnahmen spüren wir als Stadt Pfullingen die Auswirkungen unmittelbar. Auch bei den Zuweisungen aus dem Finanzausgleich rechnen wir bereits in diesem Jahr mit deutlichen Wenigereinnahmen. Insgesamt fehlen uns Millionenbeträge, sowohl im laufenden Haushalt, als auch im Finanzplanungszeitraum. Dies wird sich auch in den Folgejahren so darstellen.
Die Stadt Pfullingen weist auf die Möglichkeit von Erleichterungen zur Zahlung der Gewerbesteuer hin, wie die Anpassung von Vorauszahlungen für das Jahr 2020 oder die Stundung von bereits abgerechneten Wirtschaftsjahren oder auch der Mieten und Pachten.
Die Wirtschaftsförderung der Stadt Pfullingen versteht sich als zentrale Anlaufstelle für Unternehmen, Existenzgründer und sämtliche andere Akteure aus der Wirtschaft und steht diesen mit weiterführenden Informationen zur Seite. Derzeit werden beispielsweise mittels einer Unternehmensbefragung der Bedarf der ansässigen Unternehmen abgefragt, die durch Corona ausgelöst worden sind (Online-Umfrage noch bis 05.Juli 2020 unter www.soscisurvey.de/pfullingen-unternehmen/). Ansprechpartner dafür ist die städtische Wirtschaftsförderung, Christina Krieg, Telefon 07121/70301114, E-Mail: wirtschaftsfoerderung@pfullingen.de
Derzeit stehen zunächst vor allem die Ausgaben des laufenden Betriebs auf dem Prüfstand. Aber auch hinsichtlich der Investitionen wird es erst dann Entscheidungen geben, wenn sich der Finanzspielraum für die kommenden Jahre darstellen lässt und eine Grundlage für einen Nachtragshaushalt vorhanden ist. Manche Projekte werden sich hierdurch unter Umständen verschieben.