Ungeliebter Schmarotzer – Die Mistel zerstört unsere Bäume
Pfullinger Mistelprojekt startet Kartierung
(BW/StP) Miraculix hat sie für seinen Zaubertrank gebraucht, den Liebenden verheißt sie Glück und Gesundheit. Zur Weihnachtszeit dient sie vor allem als hübsche Deko in den Weihnachtsgestecken. Und seit Jahrhunderten gilt die Mistel auch als Heilpflanze.
Allerdings wird sie für unsere Streuobstwiesen zunehmend zum Problem. Wer mit offenen Augen durch unsere Natur läuft, sieht besonders jetzt im Winter, die kugeligen Gebilde, an den Obstbäumen aber auch zum Beispiel an den Pappeln wachsen.
Die Mistel steht zwar unter Artenschutz aber entgegen landläufiger Meinung steht sie nicht unter Naturschutz, das heißt sie darf abgeerntet werden. „Sie muss sogar abgeerntet werden, geschieht das nicht, ist der Baum in 2 bis 3 Jahren tot,“ erklärt Martin Weißschuh vom Obst- und Gartenbauverein Pfullingen. Denn die Mistel ist ein Schmarotzer, die dem Baum quasi den Saft aussaugt.
Für die Verbreitung der Mistel sorgen die Vögel. Sie picken die Früchte ab. Dabei bleibt von der klebrigen Masse etwas am Schnabel hängen. Wetzen die Vögel dann ihren Schnabel auf einem anderen Baum an einem anderen Ast ab, bleiben die Mistelsamen am nächsten Wirtsbaum hängen. Die Verbreitung der Mistel ist dabei rasant, den Grund dafür sieht Martin Weißschuh darin, dass mittlerweile viele Streuobstwiesen nicht mehr richtig gepflegt werden. Er schätzt, dass davon rund 2/3 der Obstbäume betroffen sind. „Gehen wir jetzt nicht gegen diesen rasanten Befall vor, dann haben wir in 20-30 Jahren keine Streuobstwiesen mehr“, fürchtet Weißschuh. Die Wiesen sind jedoch aufgrund ihrer Artenvielfalt von hoher ökologischer Bedeutung, schreibt auch der NABU.
Mistelprojekt startet mit Kartierung
Der OGV hat bereits auf Gemeindewiesen zum Beispiel an der Wanneauffahrt oder in den Echazauen Pappeln und Obstbäume von Misteln befreit, problematisch wird es jedoch bei privaten Grundstücksbesitzern. Dort könne man ja nicht einfach ungefragt private Bäume stutzen.
Traude Koch, Uschi Bantle, Inge Hartmann und Jürgen Scheuer gehören zu denen, die nun in Sachen Handeln vorangehen. Die vier sind Teil des Pfullinger Mistelprojekts, die in den nächsten Wochen so viele Bäume mit Mistelbefall auf so vielen Flurstücken wie möglich erfassen wollen. Das Projekt steht insgesamt unter der Leitung des Pfullinger Obst- und Gartenbauvereins (OGV).
Ziel der Aktion ist es, im Anschluss mithilfe der Stadtverwaltung die einzelnen Grundstücksbesitzer schriftlich über den Zustand ihrer „Stückle“ zu informieren und zu motivieren, etwas gegen den Befall der Bäume auf ihrer Wiese zu unternehmen. Das Team des Mistelprojekts sieht sich da dann auch als unterstützende Stelle, etwa per Geräteverleih oder als Anlaufstelle für Beratung.
Einer breiteren Öffentlichkeit ist das Mistelprojekt übrigens auf dem Pfullinger Weihnachtsmarkt bekannt geworden. Dort verkauften die AG-Mitglieder „Pfullinger“ Mistelzweige, die sie von hiesigen Bäumen eingesammelt hatten.
Geräte können ausgeliehen werden
Auch wenn das Mistelprojekt nun zum ersten Mal tatsächlich „vor Ort gegangen“ und in Aktion getreten ist, reicht seine Vorgeschichte schon eine ganze Weile länger zurück. Unter Federführung der Gemeinderatsmitglieder Traude Koch und Sven Hagmaier wurden im Herbst 2023 erste Gespräche zwischen der Stadt, dem Landkreis, dem OGV, der Naturschutzstiftung und dem Büro Pustal Landschaftsökologie und Planung geführt. Ein Förderantrag zur Beschaffung von Geräten beim Biosphärengebiet durch den OGV, unter dessen Leitung das Projekt nun steht, wurde gestellt und bewilligt. Die Geräte stehen beim Geräteverleih Marx zur Ausleihe gegen Gebühr bereit.
Baumschnittaktion am 15. März
Der Obst- und Gartenbauverein Pfullingen veranstaltet am 15. März eine Baumschnittaktion auf der Hochzeitswiese unterhalb der Wannenauffahrt. Dort können sich Interessierte unter anderem auch darüber informieren, wie die Misteln vom Baum geschnitten werden, ohne dass dieser schwer verletzt wird. Die Schnittunterweisung findet ab 14.00 Uhr statt. Treffpunkt ist der Parkplatz zur Auffahrt Wanne.